Ostsee Schatz - Monte Olivia - Silberschatz
- Kategorie: Projekte
- Veröffentlicht: Dienstag, 02. Mai 2023 20:05
- Geschrieben von Andrea Grotzke
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Der Schatz der Monte Olivia
Stille liegt über der frühmorgendlichen Ostsee. Aus dem leichten Nebel schiebt sich ein Boot mit vier Tauchern auf der Suche nach einem Geisternetz. Sie lassen sich rückwärts über die Bordwand fallen und tauchen ab. Doch sie werden kein Netz finden, was sie beim Auftauchen in das Boot werfen wird sich als Sensation herausstellen: Es ist das Silber der Monte Olivia! Wir, die Scientific Diving Association e.V. Kiel (SDA), freuen uns, euch hier nun die Hintergründe zu diesem ungewöhnlichen Fund liefern zu können, denn die vier Taucher waren unsere. Wir sind gemeinsam mit One-Earth-One-Ocean (OEOO) seit vielen Jahren auf der Suche nach Geisternetzen und bekommen auch immer wieder Meldungen, wenn etwa Angler an einer Stelle ständig mit ihren Angelhaken an irgendetwas auf dem Meeresgrund hängen bleiben. So ging auch im letzten Jahr die Meldung ein, dass da wohl was am Kieler Scheerhafen liegen könnte. So machten sich also am frühen Morgen des 30. Augusts 2022 die vier Taucher auf den Weg.
Die Einsatzleitung hatte an dem Tag unser 1. Vorsitzender, der sehr erfahrene Forschungs- und Wracktaucher Hubert Pinto de Kraus. Er war es auch, der die im Boot liegenden „Schrottteile“, wie die Taucher anfänglich annahmen, als Inventarteile eines Schiffes der HSDG, Hamburg Südamerikanische Dampfschifffahrts-Gesellschaft, erkannte. Im Tauchlager zurückgekehrt, wurde beim Reinigen schnell klar, dass es sich um Teile eines Silbergeschirrs dieser Kreuzschifffahrtslinie handelt. Recherchen ergaben, dass an dieser Stelle am 3. April 1945 neben anderen Schiffen die Monte Olivia im Bombenhagel unterging. Doch sollte sie eigentlich 1946 wieder gehoben und abgewrackt worden sein. Wie kam es nun, dass dort Teile des Silbergeschirrs lagen. Gab es vielleicht noch mehr? Die Taucher berichteten von einem riesigen Gebiet voller großer Metallteile und auch von einigen Gießkannen. Es war klar, da müssen wir noch einmal tauchen gehen. Doch es war auch klar, dass wir das nicht ohne Genehmigung des Archäologischen Landesamtes in Schleswig machen dürfen. Laut dem Denkmalschutzgesetz des Landes gehören alle gefundenen Objekte, die älter als 100 Jahr sind, automatisch dem Land. Wer also ohne Nachforschungsgenehmigung gräbt oder plündert, sei es nun an Land oder unter Wasser, begeht eine Straftat. Es dauerte mehrere Wochen, bis diese Genehmigung für weitere Prospektionen vorlag. Natürlich wussten auch die Wasserschutzpolizei und das Hafenamt über unsere Aktionen an dieser Stelle Bescheid, denn es ist leider mit Bekanntwerden eines solchen Fundes auch mit Plünderungen zu rechnen.
So fuhren etwa acht Wochen später wieder Tauchteams von uns dorthin und schauten zunächst nach den „Gießkannen“. Sie stellten sich als silberne Tee- und Kaffeekannen heraus. Es wurden auch Besteckteile, Tassen, Teller und Schüsseln gefunden, insgesamt kamen bei diesem Tauchgang mehr als 30 Silberteile ans Tageslicht. Und das war erst der Anfang. Aber warum lag da nun das ganze Silber herum, denn das Wrack der Monte Olivia war nicht da. Sie wurde nach dem Heben 1946 an Ort und Stelle zerlegt, dabei gingen große Teile der Ausstattung und des Inventars über Bord und wurden nicht wieder geborgen. Im Laufe der vielen Tauchgänge kamen noch andere Objekte an die Wasseroberfläche: Schuhe, medizinische und pharmazeutische Geräte und kleinere Teile des Schiffzubehörs. Größere bis große Teile, wie zum Beispiel ein Motorrad konnten noch nicht geborgen werden.
Wir tauchten nicht nur sondern beschäftigten uns auch mit der Geschichte der Monte Olivia, die wir am Ende des Textes kurz zusammengefasst haben, und nahmen Kontakt mit der Hamburg Süd, so die Kurzform der HSDG, auf, die zum Oetker-Konzern gehörte. Sehr schnell meldete sich Philip Oetker persönlich bei uns und vermittelte und den Kontakt zu Eva Graumann, die das Archiv der Hamburg Süd verantwortlich betreut. Frau Graumann ist nicht nur eine enge Vertraute der Familie Oetker sondern war auch eine langjährige Mitarbeiterin der Hamburg Süd. Zum Anfang des Jahres bekamen wir vom Archäologischen Landesamt die erfreuliche Mitteilung, dass unser Fund nicht unter das Denkmalschutzgesetz falle. Daraufhin tragen wir uns Anfang des Jahres trafen nun endlich persönlich mit Frau Graumann und Peter Tamm vom Internationalen Maritimen Museum Hamburg (IMMH), denn uns war klar, dass wir unseren Fund nicht kommerziell vermarkten wollen. Er muss zusammenhängend der Nachwelt erhalten bleiben und um so die Geschichte der Monte Olivia erzählen zu können. Unsere Wahl fiel deshalb auf das IMMH, das auch das Archiv der Hamburg Süd beherbergt.
Alle Beteiligten einigten sich auf den 3. Mai 2023 zur Übergabe und damit Bekanntgabe des Schatzfundes. Für uns lief nun die Zeit, um möglichst viele Gegenstände zu bergen und damit potentiellen Plünderern keine Chance auf eine schnelle Beute zu geben. Leider war das Wetter nicht immer auf unserer Seite und zum Ende machte uns auch noch die vorzeitige Braunalgenblüte mit den damit einhergehenden sehr schlechten Sichtverhältnissen unter Wasser das Leben bzw. Tauchen schwer. Aber nun ist es vollbracht und gerade haben wir alle unsere Funde von Monte Olivia dem Oetker-Archiv und dem IMMH übergeben. Wir sind schon sehr gespannt, wie unsere mit so viel Herzblut und ehrenamtlichem Engagement geborgenen Stücke ab Juni im IMMH präsentiert werden.
Die Geschichte der Monte Olivia – kurz und knackig!
Stapellauf: 28. Oktober 1924
Eigner: Hamburg Südamerikanische Dampfschifffahrts-Gesellschaft
Name: benannt nach einem Berg in Argentinien
Baunummer: 409
Werft: Blohm & Voss, Hamburg
Länge: 159,70 m
Breite: 20,10 m
Bruttoregistertonnen: 13.750 BRT
Nettoregistertonnen: 7814
Tragfähigkeit: 8460 tdw
Passagierkapazität: 1372 (3. Klasse), 1156 (Zwischendeck), 369 (Besatzung)
Jungfernfahrt als Auswandererschiff: 23. April 1925 von Hamburg nach Montevideo und Buenos Aires
Kreuzfahrtschiff: ab Herbst 1925 (Nordkap)
„Kraft durch Freude“-Schiff: 1934 (Norwegen und Ostsee)
Blockadedurchbruch: Oktober 1939, heimkehrend aus der brasilianischen Hafenstadt Santos gelang der Blockadedurchbruch nach Hamburg
Wohnschiff der Kriegsmarine: Januar 1940 bis Januar 1945
Lazarettschiff: Anfang 1945 erfolgte Umbau zum Lazarettschiff und Verwundetentransporter
Versenkung: 3. April 1945 bei britischer Bombardierung des Scheerhafens Kiel (keine direkten Treffer, doch die Bomben, die in der unmittelbaren Nähe führten zu Lecks in der Bordwand und sie kenterte, es war keine Besatzung an Bord)
Das Ende: 1946 Bergung und vollständige Zerlegung im Scheerhafen Kiel